Gongshan (Werwölfe, Bingzhongluo, Terrorbaozi und tibetische Tanzbar)

Am Morgen des zweiten Oktobers gab es noch eine letzte, große Liukubesprechung, denn Momme, Nina, Luca, Madita und wir hatten jetzt erst richtige Ferien und wollten für ein paar Tage wegfahren. Da sich allerdings ein Team von China Radio International angekündigt hatte, das einen Beitrag zu uns machen wollte, hatten wir noch einige Dinge zu besprechen.

Nach einem letzten, gemeinsamen Mittagessen mit Fiona brach bei uns allmählich die „Packpanik“ aus, denn der Bus kam war schon da und wir mussten aber noch an so viele Dinge denken. Als wir dann endlich losfahren konnten, ging der bis jetzt entspannendste Teil unserer China-Fahrt los: Der Urlaub in Gongshan. Wir fuhren in der Mittagssonne den Nujiang entlang und mussten feststellen, dass die Berge wirklich noch schöner werden, je weiter man in den Norden fährt. Überall waren Wasserfälle, klare Gebirgsflüsse und steile Klippen. An einer der schönsten Stellen fing Momme hysterisch an, mit den Armen zu wedeln und der Busfahrer hielt für uns an, damit wir ein paar Fotos machen konnten. Nach einer Weile erreichten wir auch schon Fugong, wo wir eigentlich erst auf dem Rückweg halten wollten, doch der Minibusfahrer hatte seine Pläne geändert und lies uns aussteigen. Nach einigen weltbewegenden Diskussionen darüber, ob wir jetzt 5€ oder 6€ für die 4 Stunden dauernde Fahrt bezahlen (, wobei man sagen muss, dass der Unterschied zwischen 40 Yuan und 50 Yuan einfach größer wirkt), fuhren wir nach Gongshan weiter. Das traurige dabei war, dass nicht nur die Berge steiler wurden, sondern dass auch das Wetter und die Straßen immer schlechter wurden. Da es mittlerweile aber auch schon dunkel war, konnten wir meistens gar nicht sehen, wie nahe wir gerade am Abgrund vorbeigeschrappt waren. Sehr spät erreichten wir etwas ausgehungert Gongshan und suchten uns erst einmal ein Restaurant, in das uns Helen, Nina B., und Franzi, 3 der Freiwilligen von dort, begleiteten. Dabei verhielten wir uns wirklich wie die Heuschrecken, sodass wir unseren Freunden von dort fast schon peinlich waren. Es gipfelte darin, dass der Koch Reis aus dem Nachbarrestaurant holen musste und Nina ihm den Topf aus der Hand riss und dabei „REIS“ rief. Trotzdem durften wir mit den Gongshan’lern nach Hause gehen und wurden herzlich aufgenommen. Da das Wetter wirklich, wirklich sehr schlecht war, konnten wir leider nicht so viel draußen machen, wie wir es geplant hatten. Wir veranstalteten also einen „Werwolf-Marathon“ und veränderten unser Kultspiel zu einer Chinaversion (Amor= Mushu aus Mulan; Werwölfe= Pandas; Bürger= Bambus…). Allerdings trafen sich Nina, Nadja, Ribana und ich mit zwei meiner Schülerinnen, die eigentlich aus Gongshan stammen. Wir gingen in ein tibetisches Spezialitätenrestaurant, in dem es tibetische (, scharfe) Pommes, Fladenbrot, Yakbuttertee und Flussschnecken gab. Interessant, aber durchaus ess- und trinkbar! Am 4. Oktober feierten wir außerdem Helens Geburtstag und gingen während einer fast trockenen Stunde sogar zum Strand. Baden kann man allerdings im gesamten Nujiang nicht, da das Wasser sowohl viel zu kalt, als auch viel zu gefährlich ist. Ein weiteres Highlight war das tägliche Frühstück, denn als ich mit Nina B. und Helen zur Baoziverkäuferin ging, fragte diese sich wohl, warum die beiden Mädels, die sonst immer 8 Baozi bestellt haben, plötzlich 30 kaufen, obwohl nur ein Junge mehr dabei war… Die Baozi waren echt richtig lecker und die Lieblingssorte der Einwohner Gongshans ist die mit einer roten Zuckerfüllung, von den Deutschen dort liebevoll Terrorbaozi genannt, da die heiße Füllung nur so spritzt und alles einsaut.

Trotz des schlechten Wetters entschieden wir uns, doch nach Bingzhongluo zu fahren, eine Art Nationalpark, der bei den Chinesen hier sehr berühmt ist und was jedes Mal zu Staunen führt, wenn man erzählt: Wir waren in Bingzhongluo! Wir stiegen also in einen leicht überfüllten Minibus ein, dessen Fahrer uns versprach, uns so an den Kontrollen vorbeizuschleusen, sodass wir nicht die 100 Yuan Eintritt bezahlen müssen. Deswegen setzte er Ribana und Luca, die mit den dunklen Haaren, in die Mitte des Busses und den Rest nach hinten, neben die getönten Scheiben. Nach einer noch abenteuerlichen Fahrt als nach Gongshan, die über nicht vorhandene Straßen, an steilen Klippen vorbei und durch einen Fluss führte, da die Brücke eingestürzt war, kamen wir auch ohne Probleme an der Kontrolle vorbei. Wir fuhren nun immernoch den Nujiang entlang und kamen nach einer Weile an einer der steilsten Flusskurven (der Welt?), wie uns ein amerikanischer Geologe erklärte, an. Insgesamt war die ganze Gegend sehr schön und es waren kaum Menschen dort, weder Touristen, noch Einheimische. Wir hielten an mehreren Stellen an, fuhren durch wahnsinnig steile Klippen durch und hielten an einer Stelle nach einer Militär-Passkontrolle endgültig an. Unser Fahrer empfahl uns einen 1,5-stündigen Wanderweg in ein Dorf der tibetischen Minderheit, wo er uns wieder einsammeln wollte. Mit unseren 2 Minibusmitinsassen aus Kunming machten wir uns also auf den Weg durch die Berge, der wunderschön und richtig anstrengend war, da er durch das tiefste Dickicht und steil hinauf führte. Manchmal wartete man kurz, weil ein Bauer seine Kuhherde weitertrieb oder weil man einen Baumstamm entlangklettern musste, da der Weg plötzlich weg war. Oben angekommen bot sich uns allerdings ein fantastischer Anblick über die Berge und das tibetische Dorf, was den anstrengenden Weg ausglich. Im vielleicht 150-Seelendorf besichtigten wir die kleine Kirche und ein paar Hütten, die wirklich sehr primitiv waren und wurden in eine Kochhütte hineingebeten, denn wir hatten auch direkt für ein Essen beim Fahrer mitbezahlt. Nun tranken wir mit mehreren Tibetern und unseren sehr freundlichen Mitwanderern erst einmal eine Menge selbst gebrauten Maisschnaps, was sich nach der Wanderung und auf sehr lange sehr leeren Magen nicht besonders gut auswirkte. Dafür allerdings auf das Essen, welches eigentlich so scharf war, dass man es kaum essen konnte und selbst den Chinesen unter uns die Tränen und der Schweiß nur so liefen. Es gab gebratene Chilischoten und anderes Gemüse und zum Abschluss gezuckertes Popcorn. Völlig fertig fuhren wir nach einer Weile wieder Richtung Gongshan und hielten nur noch an wenigen interessanten Stellen an, darunter z.B. ein alter Teehandelsweg ins nur noch 20km entfernte Tibet. (Der Busfahrer bot uns übrigens auch an, dorthin zu fahren, obwohl es offiziell verboten und unmöglich ist.) Wir hielten zum Schluss noch in Bingzhongluo an, um der Nichte des Fahrers etwas in ihrer Schule vorbeizubringen. Luca, Ribana und ich stiegen mit aus und wurden in eine Klasse gezerrt, in der wir spontan Englisch unterrichten sollten, was in unserem Zustand sehr lustig war. Wir tauschten Nummern aus, da der Kontakt zu dieser Schule sich sehr lohnen könnte, da das Englischniveau der Lehrer und Schüler unglaublich gut vor, vor allem wenn man bedenkt, dass diese Schule quasi am Ende der Welt liegt.

Am nächsten Tag verließen uns Nina, Momme, Luca und Madita Richtung Liuku, während wir 2 noch blieben und auf Marlena und Elena aus Fugong warteten. Am Vormittag halfen wir zudem noch Helen beim Unterricht. Ihre Dulong-Minderheitenklasse war allerdings nur zu Bruchteilen (8 von 34) anwesend, da die Straßenverhältnisse des Dulongtals so schlecht sind, dass der Rest noch nicht in Gongshan angekommen war. Diese Klasse war derart schüchtern, dass die wenigen Schüler am liebsten geweint hätten, als man sie nach ihren Namen fragte. Später waren Elena und Marlena da und wir hatten uns einiges zu erzählen und konnten abends noch einmal Helens Geburtstag in einer Minderheiten-Tanzbar feiern. Dorthin wurden wir von einem Team des chinesischen Staatsfernsehens begleitet und die ganze Zeit über gefilmt. Wir tanzten auch mit, wobei die Tänze wirklich schwierig waren. Noch skuriller wurde es, als uns auffiel, dass wir auf einem auf dem Boden leuchtenden, umgekehrten Hakenkreuz tanzten. Außerdem ging man von Tisch zu Tisch und musste mit sämtlichen Leuten Bier trinken. Tragisch wurde das ganze allerdings erst, als eine völlig betrunkene, aber auch völlig unerschrockene Chinesin sich in den Kopf gesetzt hatte, mich zu verführen, oder sogar zu heiraten, wer weiß. Irgendwann beschloss ich, Franzi als meine Freundin auszugeben, was bei der Chinesin zu heftigen Wutanfällen (sie zerstörte den Aschenbecher und schlug ihn immer wieder auf den Tisch) und krampfhaften Heulattacken führte. Kurz vor 12 startete sie ihren letzten Versuch, mich doch noch zu gewinnen und sprang mir in den Rücken und erwürgte mich fast. Das war in etwa der Zeitpunkt, an dem ich Franzi riet, nicht mehr alleine nachts durch Gongshan zu laufen.

Am nächsten Morgen fuhren auch Ribana und ich weiter und erreichten gegen Mittag Fugong und fuhren sofort ins ein Stückchen außerhalb liegende Lajiamudi, um Marie und Fabia zu besuchen. Dort war die Hitze so groß, wie sonst nur in Liuku. Die beiden leben in der Grundschule des Ortes, welcher fast nur aus der Schule besteht. Auch hier hatten wir einiges zu erzählen und spielten gemeinsam Gitarre und schauten uns am nächsten Morgen etwas im Dorf um. Auch hier gingen wir mit in den Unterricht und sangen u.a. „If you’re happy and you know it, clap your hands“ mit den süßesten Schülern, die wir bis jetzt gesehen haben. Die Zeit dort war auch viel zu kurz, weswegen wir auch dort unbedingt nochmal hinfahren müssen.

Jedoch fuhren wir am nächsten Mittag über Fugong nach Jiakedi weiter, um unsere Englischlehrerin mit ihrem Mann zu besuchen. Auch dort hatten wir nur wenig Zeit, aber es war sehr interessant, unsere „Kollegin“ privat kennenzulernen. Gemeinsam erreichten wir abends Liuku und trafen uns mit Nora, die Geburtstag hatte, und den anderen und spielten mal wieder Werwölfe. (Ende 8. Oktober)

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