Weihnachtsstimmung? (Dominik)

Nun ist es fast soweit! Weihnachten! Aber: Was war das doch gleich? Man glaubt es kaum, es gibt Orte auf dieser Welt, an denen zieht Weihnachten unbemerkt vorbei. Das hat seine guten und seine schlechten Seiten. Glücklicherweise wurde man hier mit Weihnachtsdeko, Schoko-Nikoläusen und sonstigem Kitsch zwischen September und Dezember verschont und erst mit den Weihnachtspäckchen aus Deutschland erreichten uns die Dinge, die man eben erst im Dezember braucht. Weihnachtslieder hängen einem nicht mehr zum Ohr raus, denn man hört sie ja quasi nicht. Auch der alljährliche Weihnachtsstress fehlt völlig, was unglaublich entspannend ist. Dafür muss man auf die Unmengen an Plätzchen verzichten, die warme Fensterbeleuchtung fehlt, die Weihnachtsdüfte insgesamt gibt es einfach nicht. Wir begnügen uns daher mit Zuckerrohr, dessen Saison im Dezember so richtig begonnen hat, und kauen eben auf den großen Cellulosebrocken mit süßer Saftfüllung herum und spucken den schwer schluckbaren Rest auf die Straße, wie jeder normale Chinese auch.

Gestern jedoch (16.12.) gab es das größte Weihnachtsevent, das Nujiang bis jetzt gesehen hat: die Weihnachtsfeier der LushuiYiZhong, an der Caro, Christoph und Nora unterrichten. Die Englisch-Vorsitzende, Miss Xia, hatte sich in den Kopf gesetzt, alle 31 Freiwilligen dazu zu bringen, ein 3,5-stündiges Programm für eine Weihnachtsfeier auf die Beine zu stellen, was ihr nicht ganz glückte. Aus 31 wurden 8, die Programmlänge reduzierte sich auf 3 Stunden. Wir planten ein Krippenspiel, wobei Caro zu bedenken gab, dass religiöse Inhalte ja in chinesischen Schulen eigentlich verboten sind. Nora meinte daraufhin: Wenn die Schule eine Weihnachtsfeier haben will, muss sie damit rechnen, dass da dann auch Weihnachten vorkommt. Am Sonntagabend trafen wir uns also an der Yizhong und kamen in einen komplett weihnachtsmäßig ausgestatteten Raum, der uns zum Staunen und Kopfschütteln gleichzeitig brachte. „Die Chinesen“, seufzten wir und ließen uns an die mit Knabberzeug überladenen Tische und beobachteten die letzten Vorbereitungen für die Propaganda-Weihnachtsfeier, die komplett von einem Reporter des Nujiang-TV’s gefilmt wurde. Schließlich sangen wir dort gemeinsam Weihnachtslieder, einige Schüler sangen ebenfalls oder gaben (ziemlich professionelle!) Tanzdarbietungen zum Besten. Auch der Schulleiter, der im Weihnachtsmannkostüm auftauchte, ließ es sich nicht nehmen, einen alternativen Gangnam-Style-Tanz aufzuführen, der die Schüler völlig zum ausrasten brachte. Abgesehen vom Wichteln, bei dem sämtliche Chinesen ihrer Vorliebe zum Kitsch freien Lauf lassen konnten (und welches mit eine Kartenpackung einbrachte, die ohne System Karteikarten, Vokabellernkarten, Visitenkarten und Liebesbekundungskarten enthielt,), war das Highlight des Abends das Krippenspiel, aufgeführt von den Freiwilligen. Nora verlor spontan ihren Erzähler-Text und erzählte den Zuschauern ebenso spontan die „Story of Nativity“. Zuerst betrat die schwangere Caro die Spielfläche und bekam vom Erzengel Momme die Botschaft, dass sie Gottes Sohn bekommen wird und ihn Jesus nennen soll. Dann trat ich auf den Plan und führte als Joseph meine Frau nach Bethlehem und fand nach einer vergeblichen Suche nach einem Zimmer bei den Herbergsbesitzern Sara und Nina schließlich ein Plätzchen in Noras Stall. Dort bekam schließlich Caro ihr Kind neben dem Ochsen Sara (mit rosa Rentier-Geweih). Momme, mit einem verbogenen Kleiderbügel als Heiligenschein, erzählte nun der Hirtin Nina, dass sie nach Bethlehem gehen sollte. Danach zeigte der Stern (, Nora mit einer sternförmigen Plastikschneeflocke bewaffnet,) den „beiden“ Weisen aus dem Morgenland, Ribana und Christoph, dem Weg zum Stall. Sie stellten dort ihre beiden Geschenktüten ab und da Nora nicht wusste, ob und wie es noch weitergeht, endete das Stück etwas abrupt. An zwei Stellen diskutierten wir kurz, welches Lied wir eigentlich singen wollten, aber da unsere Lieder eh auf Deutsch präsentiert wurden, war es egal. Vollgestopft mit Sonnenblumenkernen, Mandarinen, Erdnüssen und Süßigkeiten, Teile einer JEDEN chinesischen Veranstaltung, gingen wir nach Hause.

Ich kann momentan nicht mal so richtigen sagen, dass mir Weihnachten fehlt, denn da sich das Wetter seit Mitte Oktober nur geringfügig verändert hat, (von 27° tagsüber und 15° nachts auf 23° tagsüber und 10° nachts,) stellt sich weder ein Winter-, noch ein Weihnachtsfeeling ein. Vielleicht kommt ja Weihnachten in 3 Monaten, wenn die Temperatur auf unerwartete (und unmögliche) Weise auf -15° fällt und die rot-goldene Glitzerflut durch die Läden der Stadt zieht, während auf der Straße die Barbeque-Stände der Glühwein-Waffel-Bude weichen müssen. Wir halten euch auf dem neuesten Stand.

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Kommentare: 1
  • #1

    Hildegard Wodni (Mittwoch, 19 Dezember 2012 17:59)

    Hallo Dominik,
    herzliche Grüße aus Pohl-Göns. Mit Begeisterung lese ich Deine Berichte. Einfach toll, was Du alles erlebn darfst. Trotz fehlender Weihnachsstimmung wünsche ich Dir und all Deinen Freunden eine schöne Weihnacht und alle guten Wünsche für das Neue Jahr.
    Herzliche Grüsse
    Hildegard Wodni

 

 

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