Sichuan Teil 1: Emei Shan, Leshan, Chengdu (Dominik+Ribana)

Spontanität war bei unserer Urlaubsplanung mal wieder gefragt, als wir bei unserem Besuch bei Luca und Madita in Luzhang (, von dem wir auch noch berichten werden,) unsere Reiseroute komplett ändern mussten, weil Lucas Freunde, die in Guangxi wohnen, momentan gar nicht zu Hause sind und wir sie deswegen auch nicht besuchen können.

Wir (Luca, Madita, Valeska und wir zwei) entschieden uns für eine Reise nach Sichuan, die eigentlich für den Sommer geplant war, was seine Vor- und Nachteile gehabt hätte, aber was im Nachhinein gesehen gar nicht mal so schlecht war.

Am 15. Januar ging es mit dem Nachtbus nach Kunming, der Hauptstadt Yunnans. Kunming wird als Stadt des ewigen Frühlings bezeichnet aber von Frühling war im kältesten Winter Chinas wenig zu merken. Wir schlenderten nur ein wenig um den Bahnhof herum durch die Stadt und trafen in der 7-Millionenstadt, die eigentlich dem Rest der Welt als Ausgangspunkt für Reisen durch Südostasien dient, immerhin ganze 5 Ausländer.

Abends stiegen wir dann in den Nachtzug nach Emei in der Provinz Sichuan. Zugfahren in China ist auch ein sehr interessantes Erlebnis, das man mal mitgemacht haben kann. Wir spielten mit dem kleinen Nachbarsbettmädchen, unterhielten uns oberflächlich mit den anderen Nachbarn und erkundeten den restlichen Zug (und die verschiedenen Preiskategorien). Am 17. Januar erreichten wir morgens um 9:00 die Stadt Emei, die an sich ziemlich uninteressant ist, wenn da nicht der für Buddhisten heilige Berg „Emei Shan“ wäre.

Der Start lief etwas verkorkst und wir kamen um 14:00 erst an einer Stelle des Berges an, ab der wir gar nicht loslaufen wollten. „Macht nichts“, dachten wir, „dann nehmen wir es eben, wie es kommt.“

Am Fuße des Bergs war es, wie auch in der gesamten Umgebung, so nebelig, dass man keine 100 Meter weit sehen konnte, geschweige denn den Berg. Wir liefen zwischen Bambushainen, Palmen und vollen, grünen Bäumen einen steinigen Pfad entlang. Wir trafen nur sehr wenige Leute, die meisten davon waren Einheimische, die uns Bambus-Wanderstöcke andrehen wollten, damit wir uns gegen die angeblich auf dem Berg lebenden Affen verteidigen können. Allerdings sparten wir uns das Geld und schnitzten uns beherzt selbst welche. Das wir Metallspikes für hohen Schnee brauchen könnten, haben wir erst mal nicht geglaubt und uns auch deswegen vorerst keine gekauft.

Wir kamen zu einer steilen Treppe und von Madita kam der Vorschlag, abwechselnd die Treppenstufen zu zählen. Die ersten Hunderter liefen echt flüssig und wir erreichten bald die ersten Klöster, die schon seit Jahrhunderten am Berg existieren, teilweise aber nach der Kulturrevolution wieder aufgebaut werden mussten, weil nahezu alle niedergebrannt worden waren. Nach ca. 3000 Stufen gaben wir Tipps ab, wie viele Stufen es bis zum Gipfel noch werden müssten: Valeska 12300; Dominik 14300; Ribana 15000; Luca 16227. Da das ganze Gebiet nicht nur ein einziger, immer höher werdender Berg ist, sondern vielmehr mehrere Berge, die irgendwie zusammenhängen, läuft man jeden Höhenmeter dreifach: hoch, runter und nochmals hoch. Deswegen kamen wir längst nicht so weit, wie wir eigentlich kommen wollten und mussten bei Einbruch der Dunkelheit und Stufe 5000 das Angebot einer Einheimischen annehmen und ihr in ihr Hostel folgen, welches auf 1000m Höhe lag, schlicht und kalt war, aber gut genug war, um sich erholen zu können.

Am nächsten Morgen liefen wir früh weiter, denn immerhin hatten wir noch 2000 Höhenmeter vor uns. Außer einigen Klöstern, Imbissständen und den obligatorischen „Packen sie alle Plastiktüten weg und kommen Sie den gefährlichen Affen nicht zu nahe“-Schildern sahen wir nicht viel, da es immer noch schrecklich nebelig war und man teilweise keine 10 Meter weit sehen konnte. (Keine Lüge!)

Bei Höhenmeter 1700 kam dann die erste große Überraschung: Schnee. Hmmpf. Hätten wir uns mal die Spikes gekauft, so wie das chinesische Pärchen, das wir liebevoll „die Bergziegen“ nannten, da es den Berg mit Leichtigkeit hochhüpfte. Die Treppen, die schon vor dem Schnee zu steil waren, um sie unvorsichtig hochlaufen zu können, waren nun um einiges gefährlicher geworden und wir mussten uns trotz Wanderschuhen richtig hochkämpfen. Somit kamen wir noch langsamer weiter, als geplant und es war bitterkalt, sodass wir immer nur kurz Pause machen konnten, um nicht festzufrieren.

Mittlerweile war schon klar, das Luca unsere Wette gewinnen musste, denn die 15000 Stufen hatten wir bei Höhenmeter 1900 bereits erreicht und das Ende war noch lange nicht in Sicht. Die Motivation und die Kraft sanken immer weiter und irgendwann hievte man sich wortlos die steilen, vereisten Treppen hinauf. Nach einem weiteren „Plastiktüten-vor-den-Affen-verstecken!“-Schild machte Dominik Valeska im Spaß darauf aufmerksam, dass sie eine Plastiktüte mit ihren Vorräten in der Hand hatte, doch sie meinte, dass sie leider keinen Platz mehr in ihrem Rucksack hat. Den Blick nach unten gerichtet sahen wir plötzlich ein kleines, braunes, dampfendes Etwas im Schnee und nach einem kurzen Blick nach oben sahen wir auch schon 2 schwer mit Fell ausgerüstete Affen sich auf einem Ast vor uns in den Armen liegen. Die Aufregung bei uns war groß und nach wenigen Sekunden saßen schon 5 Affen um uns herum. Wir gaben ihnen die Hand und streichelten sie, bis plötzlich mehrere flohen, weil das viel, viel, viel zu große und angsteinflößende Alphamännchen auftauchte. Unsere Stimmung schlug sofort um zu „mulmig“ und relativ schnell zu „panisch“, als es zu Knurren anfing und die Treppen vor und hinter uns sich mit Affen füllten. Wir wurden in die Enge getrieben und die Affen attackierten uns systematisch und griffen nach den Schnallen von unseren Rucksäcken und allem, was nicht komplett verstaut war. Besonders hatten sie es auf die arme Valeska abgesehen und hatten schnell ihre Plastiktüte mit Handschuhen und Vorräten ergattert. Die anfänglich süß und zutraulich wirkenden Tibetmakaken knurrten, fletschten die Zähne und zogen mit erstaunlicher Kraft an unseren Sachen. Von unseren ehemals 4 Stöcken hatten wir nur noch 2 dabei und die Affen ließen sich von diesen wenig beeindrucken, weswegen wir zu schreien, brüllen und fauchen anfingen, was sie kurz erschreckte. Wir nahmen Schnee und Eisklumpen in die Hand, warfen sie auf die Affen und fingen im richtigen Moment an zu rennen und übertraten glücklicherweise nach geschätzten 200 Stufen die Türschwelle eines Klosters. Das war übrigens die einzige Stelle, an der wir die Stufen nicht ordentlich zählten. Selbst im Kloster waren noch einige Affen, aber diese waren nicht angriffslustig, sondern uninteressiert. So wie sie dort, in den Gebäuden, arrogant an uns vorbeistolzierten, war eindeutig klar, dass sie die eigentlichen Herren des Bergs sind. Im Klostershop rüsteten wir uns mit Ablenkungskeksen und weiteren Stöcken aus und machten uns verstört und paranoid verängstigt an den weiteren Aufstieg. Jeder kleine Shop stellte eine Erleichterung dar. Wir begegneten jedoch keinen Affen mehr und konnten bei 2200 Metern das erste Mal wieder für wenige Minuten den Himmel sehen, was Hoffnung gab, dass wir es doch noch bis zum Abend aus dem Nebel heraus schaffen, denn wir wollten ja unbedingt den Sonnenaufgang auf dem Gipfel erleben. Nach der möglicherweise steilsten, längsten und gefährlichsten Treppe erreichten wir die 2400-Marke und damit genau bei Einbruch der Nacht die bis dato zivilisierteste Station. Wir nahmen uns ein Hotelzimmer, in dem es kälter als draußen (Minusgrade!) und wahnsinnig feucht war. Es gab im gesamten Hotel kein fließendes Wasser und auch sonst hatten wir nur die unterste Stufe, aber welche Wahl hatten wir denn? Am nächsten Tag ging es um 7:00 weiter und über Nacht hatte sich eine Eisschicht über Straßen und Stufen gelegt, sodass wir ohne Spikes wirklich nicht mehr weiter kamen. Nach einer halben Stunde Rutschpartie und weiteren 100 Höhenmetern erreichten wir das so langersehnte Ziel: das Cable Car, was uns die letzten 500 Meter hinaufbringen sollte, damit wir den Sonnenaufgang nicht verpassen.

Als wir mit einigen Chinesen in der Glaskabine in Windeseile durch den Nebel fuhren, stieg die Spannung immer weiter und in dem Moment, als sich plötzlich der Nebel lichtete und wir in 3000 Metern Höhe den Rand der roten Sonne durch die Nebeldecke schimmern sahen, ging ein Jubelsturm los und mit einer Gänsehaut schauten wir uns dieses fantastische Schauspiel an. Als die Türen sich öffneten, rannten alle heraus und an die Klippen des Bergs und dahinter lagen nur das Wolkenmeer und die gerade aufgetauchte Sonne. Der absolute Gipfel war aber noch ein paar Meter entfernt und nach 20692 Stufen standen wir vor einer riesigen, goldenen Statue, einem silbernen und einem goldenen Tempel und hatten einen atemberaubenden Ausblick auf das Wolkenmeer und über 7000 Meter hohe Berge in mehreren hundert Kilometern Entfernung. Einige Chinesen schienen ihr ganzes Leben auf diesen Morgen gewartet zu haben, denn sie fielen mit dem zufriedensten Lächeln, das sie bei den Minusgraden aufbringen konnten, vor den Buddhastatuen auf die Knie und beteten. Wir sahen uns alles oben an, genossen für eine Zeit den Ausblick und machten uns bald auf den Rückweg, denn es war wirklich unglaublich kalt und vor allem windig. Auf dem Weg zum Bus, mit dem wir ganze 2 Stunden zu unserer Ausgangsstation brauchten, trafen wir ein weiteres Mal die Affen, die in Unterzahl und bei fütterungswütigen Chinesenmengen zu den liebsten Tierchen der Welt avancierten. Unten legten wir einen Entspannungs- und Aufwärmtag in einem sehr gemütlichen Hostel ein, bevor es am nächsten Tag bereits zum nächsten Highlight unserer Fahrt ging: dem Buddha von Leshan.

 

 

Dass die beiden buddhistischen Pilgerziele Emei Shan und Leshan nur 30 Kilometer auseinander liegen, kam uns wirklich sehr gelegen und am nächsten Mittag waren wir bereits in Leshan, um den vor 1200 Jahren in den Fels geschlagenen Buddha besichtigen zu können. Dieser ist 71 Meter hoch und sitzt friedlich im Fels mit Blick auf den direkt vor ihm fließenden Fluss und den durch Nebel und Dunst unsichtbaren Emei Shan. Ein einzelner Mönch fasste den Plan, die heute noch größte Buddha-Skulptur der Welt zu erschaffen, damit der den an der Stelle sehr gefährlichen Min-Fluss besänftigen kann. 90 Jahre später waren die Arbeiten abgeschlossen und der Fluss durch die riesige Menge an abgeklopften Stein wirklich beruhigt. Wir besichtigten das Weltkulturerbe, zu dem auch mehrere Tempel, Pagoden und über 2000 Jahre alte Grabstätten gehören, von allen Seiten, wobei man sich besonders winzig fühlt, wenn man nach dem steilen Abstieg direkt am Fuß des Buddhas steht und feststellen muss, dass wir alle 5 zusammen in den großen Zeh gepasst hätten und noch Platz für weitere Leute wäre. Bereits am Abend nahmen wir den nächsten Bus und erreichten um 21:30 unser nächstes Ziel: die 10-Millionen-Stadt Chengdu.

 

 

Chengdu ist die Hauptstadt Sichuans, wird aber auch Hauptstadt Südwestchinas und Welt-Panda-Hauptstadt genannt. Nachdem wir nun einige Ausflüge durch die Natur Yunnans und Sichuans gemacht hatten, war dies der größte Kontrast, den man sich vorstellen kann. Nach einer schier endlosen Fahrt durch die Randbezirke erreichten wir den innersten von 5 Autobahnringen und somit das Stadtzentrum. Überall standen hohe Gebäude, die durch ihre beleuchteten Fassaden stark an Las Vegas erinnern. Menschenmassen und durch Motorroller und Autos überfüllte Straßen ließen einen manchmal nur schwer vorankommen. Wir blieben mehrere Tage in Chengdu und ließen uns ein wenig treiben, denn der erste Teil der Fahrt war schon anstrengend genug. Wir trafen die Freunde von Luca, die uns im November besucht hatten und erkundeten gemeinsam das Tibeterviertel und ein nachgebautes Stadtviertel aus dem Jahrhundert, welches voller Touristen war. Außerdem erkundeten wir die Shoppingcenter, die alles anboten, was man sich nur denken kann. Auch sämtliche der westlichen Läden haben sich in China eingenistet, sodass wir mehrere Starbucks-Cafes mitnahmen, um eine Chengdu-Tasse für Valeska zu finden. Auch der französische Supermarkt Carrefour ist in Chengdu vertreten und wir kauften Baguette, Wurst und Käse, die wir dann am nächsten Tag nach einem Klosterbesuch verves(ch)perten. Ein paar der bekannten Plätze Chengdus, wie den Tianfu-Square und den Park des Volks nahmen wir auch noch mit, genauso wie die verschiedenen Essensangebote: muslimisch, thailändisch, tibetisch. Für das Ende dieser Reise teilten wir uns auf, sodass die Jungs nach Jiuzhaigou fuhren, einem Nationalpark im äußersten Norden Sichuans, während die Mädels in Chengdu blieben, um sich die Panda-Aufzuchtstation und die Sichuan-Oper anzuschauen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Masticating Juicer (Samstag, 13 April 2013 21:26)

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