Kleiderverteilung im Dulongtal

Die 1,34 Mrd Menschen in China gehören "offiziell" zu 56 verschiedenen Völkern. Das größte davon ist das Han-Volk, zu dem circa 92% der Chinesen gehören. Außerdem gehören dazu: die Koreaner, die Mongolen, die Uiguren, die Kasachen, die Vietnamesen, die Tibeter... In Yunnan lebt insgesamt die Hälfte dieser 56 Völker, die z.T. auch nur wenige Tausend Menschen zählen. Die Lisu mit ihren 500.000 sind also längst nicht die kleinste Gruppe. Eine Untergruppe der Tibeter sind die Nu, die in etwa 27.000 Menschen stark sind. Eine Untergruppe der Nu sind die Dulong, welche nur aus 7.000 Leuten bestehen. Davon leben 6.000 im Dulongtal, einer der abgeschiedensten Orte der Welt. Wir haben aus Erzählugen gehört, dass erst seit 20 Jahren in etwa eine Straße ins Dulongtal führt. Der Haken daran: Die Straße führt über einen Pass auf 3500 Metern Höhe und da liegt über einen langen Zeitraum eine dicke Schicht Schnee.

Schüler aus dem Tal, die im restlichen Nujiang zur Schule gehen, wie z.B. auf meine Schule, können daher in den langen WInterferien nicht mal nach Hause fahren. Im nächsten Jahr wird allerdings wahrscheinlich der Tunnel eröffnet, sodass das Tal nicht in einen halbjährigen Winterschlaf verfällt.

Die Dulong besitzen ihre eigene Sprache, von der es allerdings keine Schrift gibt und tragen ihre eigenen Trachten, die sich durch viele knallbunte Streifen und Blumen auszeichnen. Eine ganz besondere Tradition der Dulong war, alle Mädchen bereits im Kindesalter (teilweise schon mit 5 oder auch erst mit 12 Jahren) im Gesicht zu tätowieren, um sie "hässlich" zu machen, denn hässliche Frauen werden einfach nicht so oft von tibetischen Reitern geklaut, wie hübsche... Heute ist dieser Brauch fast ausgestorben und die wenigen alten Frauen, die noch tätowiert sind, leben sehr zurückgezogen und mögen es nicht, angesehen oder sogar fotografiert zu werden.

Im Dulongtal leben die 6.000 Menschen auf einer riesigen Fläche verteilt und sind teilweise bitterarm. Strom gibt es nur in den größeren Orten (vllt. 20 oder 30 Häuser) und das Handynetz ist auch eher sporadisch ausgebaut. Insgesamt gibt es wohl 3 Grundschulen und die Freiwilligen aus Gongshan haben eine von ihnen bereits besucht und eine Kleiderverteilung versprochen. Da noch 2 Plätze im Bus frei waren und Ribana und ich nichts besseres zu tun hatten, fuhren wir mit. An ersten Tag gings also ins 7 Stunden entfernte Gongshan und nach einem Tag Pause, an dem wir Helen, Flansch, Nina und Nadja beim Unterrichten halfen, fuhren wir weitere 4 Stunden und erreichten Kongdang, den Hauptort der Dulong.

Die Landschaft auf dem Hinweg war schon einzigartig und erinnerte eher an die schottischen Highlands als an das restliche Nujiang-Tal. Im Tal selbst zieht schlängeln sich türkis- bis jadefarbene Flüsse zwischen mit Dschungel bewachsenen Bergen hindurch.

Als wir in der Schule ankamen, wurden wir zuerst von den Lehrern begrüßt und es ging zum Mittagessen. Um 12 Uhr wurde die erste Dose Bier aufgemacht und da wir müde von der Fahrt waren und es brütend heiß war, freuten wir uns nicht besonders, als die Lehrer nacheinander unsere Dosen überprüften, ob wir denn auch wirklich etwas getrunken hatten. Ich für meinen Tal brauchte nach 3 Dosen erst einmal eine Pause und wir legten die Kleiderverteilung auf den Abend.

Vor der Verteilung stand allerdings noch das gemeinsame Essen mit der kompletten Schulleitung und ein paar weiterer Lehrer an und natürlich war bei dem trinkbegeisterten Völkchen das eine oder andere Kistchen Bier dabei. Wir saßen an 2 Tischen und bei chinesischen Essen läuft das Ganze so ab, dass man nie alleine Bier trinkt, sondern immer mit jemandem anstoßen muss. Dafür hat man kleine Gläser, in die vielleicht 4cl hineingehen, denn man vertraute uns nicht mehr, da wir für unsere blickfesten Dosen zu lange gebraucht hatte.. An unserem Tisch stieß man auf eine schöne gemeinsame Zeit an, als Dankeschön für unser Kommen, als man sich den Namen des anderen gemerkt hatte, wenn man rausfindet, dass man an der Schule unterrichtet, auf der sein Gegenüber seinen Abschluss gemacht hat (dann sogar 3 Becher), auf irgendwen, den beide kennen, einfach nur mal so, aus Langeweile und weil man schon lange nicht mehr angestoßen hat. Vom Nachbartisch kommt jeder der Gastgeber mindestens 3 Mal vorbei, um mit jedem am Tisch einmal anzustoßen und bei besonderen Leuten auch mehrere Gläser direkt nacheinander.

Das Hauptproblem ist beim schnellen Trinken die Kohlensäure, sodass es hier und da ganz schön peinlich werden kann, besonders dann, wenn man selbst zum Nachbartisch geht und bereits beim 9ten Glas angekommen ist. "Ungewollt stark angeheitert" machten wir uns direkt nach dem Essen an die Verteilung.

Die 300 Schüler der Schule waren durchaus bedürftig, zumal wer auch immer im Tal lebt, nicht besonders viel Geld verdienen kann, da es dort einfach buchstäblich nichts gibt. Wir trugen mit den Schülern die Kleiderkisten auf den Basketballplatz und die Lehrer stellten zwei Tischtennisplatten auf, die als Tische dienten. Nun ließen wir nacheinander die verschiedenen Klassenstufen kommen und wir suchten im Idealfall für jeden Schüler eine Hose, ein dünnes und ein dickes Oberteil aus. Ich war besonders dafür zuständig, Fotos zu machen und half zwischenzeitlich bei den Mädchen mit. Ribana verteilte Mädchenhosen. Obwohl die Kinder ziemlich jung und auch arm sind, heißt das nicht, dass sie nicht wählerisch sind und nur die schönsten Klamotten haben wollen. Deswegen wechselte ich zu den Jungs und wurde den einen oder anderen Pullover los, da ich den Jungs glaubhaft vermitteln konnte, dass der Pulli wirklich gut aussieht. Ein paar chinesische Lehrer halfen auch und diese fragten nie, ob den Kindern die Sachen gefallen. Bei ihnen galt: Was passt, wird auch genommen! Hier und da tauschten wir jedoch einzelne Kleidungsstücke aus, wenn ein Mädchen absolut schwer enttäuscht war.

Eine weitere Tücke stellte dar, ob man jetzt wirklich einen Jungen oder ein Mädchen vor sich hatte, denn im Kampf gegen Kopfläuse und im Zuge von mehr Hygiene hatten viele Kinder millimeterkurze Haare und das Geschlecht war dann nicht immer so ganz eindeutig, sodass sogar chinesische Lehrer teilweise fragten, ob ein Kind männlich oder weiblich sei, was wiederum zu weiteren beleidigten Kindern führte. Spätestens bei den Sechstklässlern, welche chinaweit auf die Grundschule gehen, wurden die Klamotten knapp und wir konnten nicht alle Kinder versorgen. Da der Bus jedoch randvoll war, ließ sich das auch schlecht vermeiden. Trotzdem haben in etwa 250 Schüler etwas abbekommen und trotz mancher Schwierigkeiten während der Verteilung waren die Kinder hinterher überglücklich. Sie begrüßten uns jedes Mal, wenn wir an ihnen vorbeigingen, mit "Danke, Onkel!" und "Danke, Tante!". Am späten Abend saßen wir noch gemeinsam im Zimmer einer wahnsinnig netten Englischlehrerin, die uns bei allem half. Wir sangen gemeinsam Lieder und schauten uns Fotos von der Verteilung an.

 

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